Berufsförderungswerk Bad Wildbad

Doreen Mai an ihrem Arbeitsplatz im Herzzentrum Dresden

Erfolgreich im neuen Beruf

"Auch wenn es banal klingt: Nicht unterkriegen lassen. Das Leben geht weiter."

 

Doreen Mai war der Erfüllung ihres Berufswunsches schon ganz nah, als alles anders kam als geplant. Die angehende Arzthelferin im zweiten Lehrjahr hatte im Alter von 19 Jahren einen Autounfall mit weitreichenden Konsequenzen: Verletzung der Wirbelsäule und Querschnittlähmung ab dem 7. Halswirbel. Eine Arzthelferin im Rollstuhl? Schwer vorstellbar. Dass die heute 33-Jährige dennoch beruflich mit medizinischen Themen befasst ist, verdankt sie einem „Umweg“, den ihr das Berufsförderungswerk in Bad Wildbad ermöglichte. An ihre Zeit in Baden-Württemberg erinnert sie sich im Gespräch mit dem PARAplegiker gerne.

 

Wie sind Sie auf das Berufsförderungswerk in Bad Wildbad aufmerksam  geworden?

Nach meinem Unfall, der in der Nähe von Dresden stattgefunden hatte, verbrachte ich ein dreiviertel Jahr in der Klinik Bavaria Kreischa. Dort fiel mir ein Prospekt des Berufsförderungswerkes Bad Wildbad in die Hände. Zu diesem Zeitpunkt war mir schon klar, dass ich meine Ausbildung zur Arzthelferin nicht mehr beenden können würde. Ein Beruf im medizinischen Bereich schwebte mir aber immer noch vor. Meine Beraterin in der Agentur für Arbeit hatte bereits gute Erfahrungen mit dem Berufsförderungswerk gemacht. Dass dort der Ausbildungsgang „Fachangestellte für Medizin und Informationsdienste, Fachrichtung medizinische Dokumentation“ angeboten wurde, gab den Ausschlag. Wenige Wochen nach Beendigung meiner Erstreha begann ich in Bad Wildbad eine neue Ausbildung.

 

War Ihr Aufenthalt dort von vornherein als Berufsausbildung angelegt, oder ging es zunächst noch um bestmögliche kör- perliche Wiederherstellung?

Bei der Ausbildung an sich spielte meine körperliche Situation keine Rolle. Aber ich wohnte im Internat des Förderungswerkes, das mit der Heinrich-Sommer-Klinik verbunden ist. Auf diese Art und Weise war meine pflegerische Versorgung sichergestellt. Die Unterstützung durch das Pflegepersonal hat mir bei der Wiedererlangung meiner Selbstständigkeit enorm geholfen.

 

Was unterscheidet die Ausbildung, die Sie in Bad Wildbad durchlaufen haben, von einer „normalen“ Ausbildung?

Das war eigentlich eine ganz normale Ausbildung. Da der Kurs zum ersten Mal angeboten wurde, war vieles für alle Beteilig- ten Neuland. Zur Berufsschule ging’s nach Calw. Wir hatten Blockunterricht. Jeden Morgen stand um 7 Uhr das Taxi vor der Tür. Nach wenigen Monaten bekam ich für ein erstes Praktikum einen Platz in der Heinrich-Sommer-Klinik. Praktika in weiteren Kliniken in der Umgebung folgten.

 

Hat sich die Ausbildungszeit darauf ausgewirkt, wie Sie mit Ihrer Behinderung und deren Folgen umgehen?

Auf jeden Fall. Durch die räumliche Nähe von Förderungswerk, Klinik und Internat war ich ständig in Kontakt mit anderen Rollstuhlfahrern, zum Beispiel bei den Mahlzeiten im Speisesaal. Der Austausch mit gleichfalls Betroffenen, Frischverletzten und solchen mit Jahrzehnten Rollstuhlerfahrung war für mich sehr hilfreich.

 

Wie sind Sie an Ihre jetzige Arbeitsstelle gekommen?

Zunächst wurde mir im unmittelbaren Anschluss an meine Ausbildung ein Arbeitsplatz in der Heinrich-Sommer-Klinik angeboten. Ich konnte noch ein paar Monate im Internat bleiben, danach fand ich eine eigene Wohnung und fühlte mich mit Arbeitsplatz und Umgebung sehr wohl. Aber irgendwann stellte sich das Gefühl ein, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Da außerdem meine gesamte Familie in der Gegend von Dresden lebte, war für mich irgendwann klar: Dorthin möchte ich zurück. Meine Erlebnisse bei der Jobsuche vor Ort waren allerdings eine Riesenenttäuschung. Trotz bestem Zeugnis erlebte ich immer wieder, dass – unausgesprochen – der Rollstuhl ein Hindernis war. Erst als ich in meinen Bewerbungen ausdrücklich darauf hinwies, dass ich trotz Behinderung ein „ganz normaler Mensch“ bin, klappte es. Mit Unterstützung des Integrationsamtes bekam ich meine jetzige Stelle im Herzzentrum Dresden.

 

Wenn Sie Ihre heutige Berufstätigkeit beurteilen – spielt der Umstand, dass Sie Rollstuhlnutzerin sind, überhaupt eine Rolle? Brauchen Sie spezielle, Ihrer gesundheitlichen Kondition geschuldete  Arbeitsbedingungen?

Der Aufwand hielt sich in Grenzen. Einige Türen wurden mit elektrischen Öffnern versehen, ich bekam einen für mich persönlich reservierten Parkplatz am Haus und zwei Stufen am Hintereingang wurden mit einer Rampe überbrückt. Mehr war eigentlich nicht nötig. Im Arbeitsumfeld Krankenhaus ist vieles ja ohnehin schon barrierefrei.

 

Welchen Ratschlag geben Sie Menschen, die in ähnlicher Situation wie der Ihren vor der Berufswahl stehen?

Auch wenn es banal klingt: Nicht unterkriegen lassen. Das Leben geht weiter.

 

Das Gespräch führte Werner Pohl.

 

Quelle: PARAplegiker 3/2018

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